Mittwoch, 15. April 2015

Russische Wirtschaft - doch keine Krise?

Während es Mitte Dezember noch so aussah, als wäre Russland auf dem Weg zu einer großen Währungskrise, ist der Rubel inzwischen deutlich stärker geworden. Nach einer besonders guten Woche mehren sich nun die Nachrichtenbeiträge, die suggerieren, es gäbe in Russland eigentlich überhaupt keine Wirtschaftskrise. Die Newsweek behauptet, die russische Wirtschaft wachse (was natürlich nicht stimmt - so liefert der Autor Bill Powell liefert im Artikel trotz der Überschrift keinerlei Zahlen zum Wachstum). Der Free-Exchange-Blog des Economist legt heute nach: "Unfair" - während die Ukraine mittelfristig nicht zu retten sei, gehe es Russland "just fine".

Wenn die russische Krise nur eine Währungskrise wäre, dann wäre sie jetzt wohl fast vorüber. Aber das ist sie nicht. Ein Absturz des Rubels ist nur eines der großen Risiken. Aktuell bringt der stärkere Rubel dem Kreml an einer anderen Stelle Probleme: beim Staatshaushalt. Gerade gestern teilte das Finanzministerium mit, im ersten Quartal habe das Defizit des föderalen Haushalts bei 4,9% des BIP gelegen.

Die entscheidende Einnahmequelle für den Staatshaushalt sind die Ausfuhrzölle auf Rohöl. Diese werden in Dollar erhoben und richten sich nach dem Weltmarktpreis. Aktuell sind es ca. $130 pro Tonne exportierten Öls. Der Haushalt selbst wird natürlich in Rubeln aufgestellt, d.h. die Ausgaben wie Pensionen, Gehälter für Beamten etc. müssen in Rubeln bezahlt werden. Je stärker aber der Rubel wird, um so weniger Rubel bekommt der Staat für die $130 pro Tonne. D.h. wenn - wie aktuell - der Rubel schneller als der Ölpreis steigt, sinken die Einnahmen des russischen Staates, während die Ausgaben unverändert bleiben.

Der Beitrag des Ölexports zum russischen Staatshaushalt lässt sich am leichtesten am Ölpreis in Rubeln ablesen. Steigt er, steigen die Einnahmen des Staates pro Tonne, fällt er, fallen auch die Einnahmen. Im Herbst machte auch Putin selbst angesichts des fallenden Ölpreises und fallenden Rubels - in der ihm eigenen Nonchalance - auf diesen Zusammenhang aufmerksam: Solange beides gleichzeitig fällt ist doch alles ok!

Jetzt arbeitet dieser Zusammenhang aber gegen den Haushalt: Dies ist die Entwicklung des Ölpreises (Sorte Urals, Barrel) in Rubel für die vergangenen 6 Monate. Der Ölpreis in Rubeln ist aktuell auf einem neuen Tiefststand.


Sollte sich der Rubel weiter schneller erholen als der Ölpreis, wächst das Haushaltsdefizit in Moskau. Allerdings gibt es noch einen zweiten Nebeneffekt des starken Rubels, der den Finanzminister ärgern dürfte: Die Mittel des Reservefonds, mit dem das Haushaltsloch gestopft werden soll, sind größtenteils in Dollar und in Euro angelegt. Mit einem stärkeren Rubel werden sie also - in Rubeln ausgedrückt - weniger wert. D.h. der stärkere Rubel vergrößert nicht nur das Haushaltsloch, sondern verkleinert zusätzlich das Finanzpolster des Staates. Ein Ergebnis davon ist, dass der Reservefonds nicht - wie vorher geplant - für die Haushaltslücke 2015 und 2016 reicht, sondern schon in der Jahresmitte 2016 zur Neige gehen dürfte (bei derzeitigen Wechselkursen/Ölpreisen). Damit ist der russische Staat natürlich nicht pleite, aber er wäre gezwungen, im Vorfeld der Duma-Wahl 2016 politische sehr wichtige Transferzahlungen (vor allem Pensionen) zu senken.

Die Belastungen eines stärkeren Rubels für den russischen Haushalt dürften auch der Grund sein, aus dem die russische Zentralbank inzwischen gegensteuert und versucht die Aufwertung des Rubels zu bremsen.

Über den starken Rubel freuen dürften sich hingegen diejenigen, die in Russland auf Importgüter angewiesen sind. Die Preise normalisieren sich hier, was auch die Inflation in Russland senkt. Das könnte der Zentralbank Luft für Zinssenkungen verschaffen, die dann wiederum den fehlenden Investitionen auf die Sprünge helfen würden.