Dienstag, 8. September 2015

Russland-Sanktionen - sticks, but no carrots.

Vor genau einem Jahr, am 8. September 2014, beschloss die EU die bisher deutlichsten Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Die Möglichkeiten der Finanzierung in Europa wurde für fünf russische Staatsbanken im Vergleich zum vorherigen Beschluss Ende Juli verschärft (die maximale Laufzeit von Anleihen wurde von 90 auf 30 Tage gekürzt). Außerdem schlossen die September-Sanktionen auch einige Industrieunternehmen mit ein, darunter den Ölriesen Rosneft. Schließlich wurde es westlichen Konzernen verboten, in Russland Dienstleistungen zur Exploration und Erschließung neuer Ölvorkommen anzubieten.

Diese Sanktionen hatten zur Folge, dass die betroffenen Unternehmen umdisponieren mussten. Mangelndes Kapital verlangsamte die Investitionstätigkeit und Explorations-Projekte, die zum Teil nur in den wenigen Sommermonaten Sibiriens stattfinden können, mussten "auf Eis" gelegt werden.

Es ist unbestritten, dass die Sanktionen Folgen haben. Die russische Ölfördermenge der nächsten Jahre könnte durch sie erst einmal fallen. Haben die Sanktionen aber ihre politischen Ziele erreicht?

Eine Wirksamkeit im Sinne der EU (nicht im Sinne der EU war z.B. die Instrumentalisierung der Sanktionen für antiwestliche Propaganda) hängt davon ab, ob die wirtschaftliche Lage in Russland die Ukraine-Politik des Kremls beeinflusst. Die Brisanz der Wirtschaftskrise dürfte man im Kreml inzwischen realisiert haben (auch wenn Beamte und Berater häufig große Anreize zur Beschönigung der Lage haben). Mögliche weitere Sanktionen von Seiten der EU kommen daher - sei es unausgesprochen - sicherlich in manchen Eskalations-Szenarien für die Ukraine vor und wirken deeskalierend.

Die bereits eingeführten Sanktionen sind allerdings keine wertvolle Verhandlungsmasse. Hier liegt der zentrale Unterschied zum Iran-Embargo, das den zuletzt erzielten Atom-Kompromiss für die iranische Führung schmackhaft gemacht hat: Das Aufheben der EU-Sanktionen hilft der russischen Führung derzeit kaum weiter.

Während der Iran in naher Zukunft auf Milliarden von Öldollars und Investitionen hoffen kann, fänden die russischen Unternehmen derzeit auch ohne Sanktionen kaum Kapital in Europa. Die Rückgewinnung des Investorenvertrauens dauert. Die blockierten Projekte in der Öl-Exploration beeinflussen die Fördermenge in einigen Jahren. Bei den derzeitigen Ölpreisen stehen dem Kreml schon viel früher viel größere Probleme ins Haus (der Reserve-Fonds soll nach den Plänen des Finanzministeriums bis 2017 aufgebraucht werden). Außerdem ist der Kreml nicht daran interessiert, die "Gegensanktionen" aufzuheben, die ja eigentlich Industriepolitik für die eigene Landwirtschaft sein sollen.

Die bisherigen Sanktionen haben die Bereitschaft der EU gezeigt, wirtschaftliche Einschränkungen gegen Russland einzusetzen. Damit haben sie für den Kreml Anreize geschaffen, die Situation in der Ukraine nicht weiter eskalieren zu lassen. Da ein Aufheben der Sanktionen dem Kreml aber derzeit kaum weiterhilft, wurde - im Gegensatz zum Iran-Embargo - keine Verhandlungsmasse geschaffen. Zur Deeskalation wären bspw. Einschränkungen der Ölimporte aus Russland sinnvoller gewesen, weil ihre Aufhebung unmittelbar wirksam ist.